Böhmische Fuge

Böhmische Fuge (Roman)

Buchtitel:

Böhmische Fuge

Autor:

Gerold Tietz

Literarische Gattung:

Roman

© Copyright:

ROGEON Verlag

Zitat:

»Schwejk, ich habe dich nie verraten, ich habe mir den Reflex, mich und alles umzudrehen, nie abgewöhnen lassen, wenn ich auch heute die Butterbrote mit Honig nicht mehr umdrehe.«

eBook-Cover:

Gerold-Tietz-Boehmische-Fuge-Roman-ROGEON-Verlag-eBook-Titelbild

Tusche-Zeichnungen:

Georg Koschinski

Kurzübersicht

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Erschienene Ausgaben

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Buch-Vorstellung

In seinem Erstlingsroman, der auch in tschechischer Übersetzung erschienen ist, versucht der Autor jenen Ort ausfindig zu machen, an dem Tschechen, Juden und Deutsche friedlich zusammenlebten, bevor nationalistische Brandstifter das Land in Flammen setzten.

In ‚Böhmische Fuge‘ geht es um die Geschichte einer sudetendeutschen Familie seit Beginn dieses Jahrhunderts. Die Hauptfigur des Romans ist Anna, eine Frau, aus deren Blickwinkel private Verwicklungen und politische Verstrickungen miteinander verquickt werden. Anna, deren Mann an der Front ist und die mit ihren zweit kleinen Kindern unter dem Kommando des Schwiegervaters steht, lebt auf ihrem Dorf inmitten von Deutschen, Tschechen und Juden. Es wird deutlich wie mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus ein Riss das gewachsene Zusammenleben dieser Menschen mehr und mehr zerstört. Deutsche werden an die Front geschickt, Juden deportiert, polnische Zwangsarbeiter arbeiten auf den Feldern. Anna muss allein mit zwei Kindern auf die Flucht.

Der Autor, der selbst noch in einem nordböhmischen Dorf geboren wurde und in der BRD aufgewachsen ist, erzählt die ihm überlieferten Geschichten aus dieser Sicht. Er stellt die Familiengeschichte in den größeren Zusammenhang der böhmischen Traditionen, die durch das Zusammenleben von Tschechen, Juden und Deutschen geprägt sind. Dabei zieht eine Fülle von farbigen Figuren und Episoden am Leser vorüber. Es wird versucht, die Beziehungen in ihren Höhen und Tiefen, ihrer Komik und Tragik darzustellen. Historische Figuren kreuzen den Weg kleiner Leute; politisches Pathos und Ideologieanfälligkeit von Männern kontrastieren mit der platten Alltäglichkeit und Überlebenskunst von Frauen. Erzählt wird nicht linear, sondern assoziativ. Dabei fällt der sprachlichen Gestaltung, vom Gestus der Ironie bis hin zur Satire und Grotestke, die Rolle zu, die einzelnen Stränge der Erzählung miteinander zu verknüpfen und eine Distanz zur Naivität der handelnden Personen, ihren Illusionen und Verdrängungnen herzustellen.

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des ROGEON Verlags)

‚Böhmische Fuge‘ bildet Teil 1 der Böhmen-Trilogie von Gerold Tietz.

Teil 2: Böhmisches Richtfest
Teil 3: Böhmische Grätschen

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Erschienene Auflagen & Ausgaben

Auflagen und Ausgaben von ‚Böhmische Fuge‘:

eBook
ROGEON Verlag
elea edition
ISBN: 978-3-943186-03-1 (ePUB)

Titelbild der eBook-Ausgabe von 'Böhmische Fuge' einblenden:
Gerold-Tietz-Boehmische-Fuge-Roman-ROGEON-Verlag-eBook-Titelbild

2. Print-Auflage
Info Verlag | Lindemanns Bibliothek
ISBN-10: 3-88190-393-3
ISBN-13: 978-3-88190-393-6
Erscheinungsjahr: Juni 2005
168 Seiten
Broschiert
Restposten verfügbar

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Gerold-Tietz-Boehmische-Fuge-Buch-Umschlag-Info-Verlag-ISBN-9783881903936-Front-Vorderseite
Gerold-Tietz-Boehmische-Fuge-Buch-Umschlag-Info-Verlag-ISBN-9783881903936-Back-Rückseite

1. Print-Auflage
Alkyon Verlag
ISBN-10: 3-926541-81-4
ISBN-13: 978-3-926541-81-9
Erscheinungsjahr: 1997
175 Seiten
Broschiert
Vergriffen

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Gerold-Tietz-Boehmische-Fuge-Buch-Umschlag-Alkyon-Verlag-ISBN-9783926541819-Front-Vorderseite
Gerold-Tietz-Boehmische-Fuge-Buch-Umschlag-Alkyon-Verlag-ISBN-9783926541819-Back-Rückseite

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Pressestimmen & Rezensionen

Im Folgenden finden Sie einen Abdruck ausgewählter Pressestimmen & Rezensionen zu ‚Böhmische Fuge‘ von Gerold Tietz:

Auszug aus dem Stifter Jahrbuch:

»Der Text besitzt mehrere Qualitäten: raffinierte Komposition, attraktive Sprachgestaltung, vertraute Kenntnis des (sudeten)deutschen wie tschechischen Milieus und der tschechischen Realität… Die angesprochenen Qualitäten garantieren, dass die ‚Böhmische Fuge‘ kein kurzlebiges Buch sein wird.«

Václav Maidl in: Stifter Jahrbuch, Neue Folge 13, 1999

Auszug aus der Prager Literaturzeitschrift TVAR:

»Es ist ein Buch, das vor allem durch seinen neuen Blickwinkel auf das Thema Flucht und Vertreibung, das schon oft auf verschiedene Art gestaltet wurde, bedeutend ist; deshalb halte ich es für wichtig, tschechische Leser darauf aufmerksam zu machen.«

Jenny Poláková in der Prager Literaturzeitschrift TVAR, 3, 1999

Auszug aus der Pforzheimer Zeitung:

»In tragischen und komischen Geschichten spiegelt sich die Zerstörung einer jahrhundertealten gemeinsamen Kultur. Dabei zieht eine Fülle von farbigen Figuren und Episoden am Leser vorüber.«

Pforzheimer Zeitung, 24.12.2005

Auszug aus der Studentenzeitung der Palacký Universität in Olomonc:

»Das ständige ´Umdrehen` und ´Hinterfragen` von scheinbar klaren Verhältnissen ist kennzeichnend für Tietz´ Art zu schreiben, ebenso das bewusste sich Abwenden von einer Haltung, die immer nur der verlorenen Heimat hinterher trauert und die Deutschen in der Opferrolle sehen möchte. «

Volltext des Artikels der Studentenzeitung der Palacký Universität anzeigen

»Das ständige ´Umdrehen` und ´Hinterfragen` von scheinbar klaren Verhältnissen ist kennzeichnend für Tietz´ Art zu schreiben, ebenso das bewusste sich Abwenden von einer Haltung, die immer nur der verlorenen Heimat hinterher trauert und die Deutschen in der Opferrolle sehen möchte. … Was ihn vom Lamento der von ihm selbst so genannten ´Heimathändler und Identitätsstifter` … unterscheidet, ist ein suchender Blick, beharrliches Herausfinden wollen und Nachfragen, nicht nur nach der eigenen Herkunft und nationalen Identität, sondern auch ein Infragestellen jeglicher vorschneller Einordnungsversuche.«

Birgit Gunsenheimer, Studentenzeitung der Palacký Universität in Olomonc (Olmütz), 2005/2006

Auszug aus der Sudetendeutschen Zeitung:

»Private Schicksale und politische Verstrickungen werden von Gerold Tietz zu einem dichten Bild verwoben. [..] 60 Jahre nach Kriegsende sind die Themen Nationalismus, Flucht und Vertreibung noch immer von brennender Aktualität.«

Volltext des Artikels der Sudetendeutschen Zeitung anzeigen

»Einer vergangenen Kultur hat der Esslinger Autor Gerold Tietz in seiner ‚Böhmischen Fuge‘ ein Denkmal gesetzt. Jetzt erfährt das 1997 erschienene Buch nicht nur eine deutsche Neuauflage in der Reihe ‚Lindemanns Bibliothek‘ im Info Verlag, sondern kommt im Herbst auch in tschechischer Übersetzung auf den Markt. Für den Autor ist dies eine besondere Auszeichnung: ‚Ich habe das Buch auch und gerade für tschechische Leser geschrieben und möchte sie zum Dialog mit den Deutschen einladen.‘

Der Roman erzählt die Geschichte einer sudetendeutschen Famlie seit dem Ersten Weltkrieg, stellt sie in den größeren Zusammenhang böhmischer Traditionen. Gerold Tietz, selbst 1941 in Böhmen geboren und 1945 mit seiner Familie nach Deutschland vertrieben, beschreibt das gewachsene Zusammenleben von Juden, Tschechen und Deutschen. Nationalismus und Rassenwahn machen dem friedlichen Miteinander ein Ende.

In den Sog dieser zerstörerischen Entwicklung gerät auch Anna, deren Mann an der Front ist. Während sie ihren Hof mit Zwangsarbeitern bewirtschaftet, suchen Ausgebombte und bessarabiendeutsche Flüchtlinge bei ihr Unterkunft. Doch bald erreicht der Krieg ihr böhmisches Dorf und sie muss mit ihren beiden kleinen Kindern den Hof verlassen. Private Schicksale und politische Verstrickungen werden von Gerold Tietz zu einem dichten Bild verwoben. Ihm geht es darum, die verschüttete gemeinsame Kultur über Zerstörung und Verwüstung hinaus sichtbar werden zu lassen.

60 Jahre nach Kriegsende sind die Themen Nationalismus, Flucht und Vertreibung noch immer von brennender Aktualität.«

Sudetendeutsche Zeitung, 26.8.2005

Auszug aus der Esslinger Zeitung:

»Einer vergangenen Kultur hat der Esslinger Autor Gerold Tietz in seiner ‚Böhmischen Fuge‘ ein Denkmal gesetzt. [..] Gerold Tietz, selbst 1941 in Böhmen geboren und 1945 mit seiner Familie nach Deutschland vertrieben, beschreibt das gewachsene Zusammenleben von Juden, Tschechen und Deutschen. Nationalismus und Rassenwahn machen dem friedlichen Miteinander ein Ende. [..] Tietz geht es in seinem Roman darum, die verschüttete gemeinsame Kultur über Zerstörung und Verwüstung hinaus sichtbar werden zu lassen.«

Volltext des Artikels der Esslinger Zeitung anzeigen

»Einer vergangenen Kultur hat der Esslinger Autor Gerold Tietz in seiner ‚Böhmischen Fuge‘ ein Denkmal gesetzt. Jetzt erfährt das 1997 erschienene Buch nicht nur eine deutsche Neuauflage in der Reihe ‚Lindemanns Bibliothek‘ im Info Verlag, sondern kommt im Herbst auch in tschechischer Übersetzung auf den Markt. Für den Autor ist dies eine besondere Auszeichnung: ‚Ich habe das Buch auch und gerade für tschechische Leser geschrieben und möchte sie zum Dialog mit den Deutschen einladen.‘ Der Roman erzählt die Geschichte einer sudetendeutschen Famlie seit dem Ersten Weltkrieg. Gerold Tietz, selbst 1941 in Böhmen geboren und 1945 mit seiner Familie nach Deutschland vertrieben, beschreibt das gewachsene Zusammenleben von Juden, Tschechen und Deutschen. Nationalismus und Rassenwahn machen dem friedlichen Miteinander ein Ende.

In den Sog dieser zerstörerischen Entwicklung gerät auch Anna, deren Mann an der Front ist. Während sie ihren Hof mit Zwangsarbeitern bewirtschaftet, suchen Ausgebombte und bessarabiendeutsche Flüchtlinge bei ihr Unterkunft. Doch bald erreicht der Krieg ihr böhmisches Dorf und sie muss mit ihren beiden kleinen Kindern an der Hand den Hof verlassen. Tietz geht es in seinem Roman darum, die verschüttete gemeinsame Kultur über Zerstörung und Verwüstung hinaus sichtbar werden zu lassen. 60 Jahre nach Kriegsende sind die Themen Nationalismus, Flucht und Vertreibung noch immer von brennender Aktualität.«

Esslinger Zeitung, 15.8.2005

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Inhalt des Buches

Inhaltsverzeichnis | Kapitel

Der Roman ‚Böhmische Fuge‘ des Schriftstellers Gerold Tietz beinhaltet folgende Kapitel bzw. Abschnitte:

  • Ach, Schwejk
  • Königgrätz
  • Der Küchenheilige
  • Grenzlinien
  • Vorbackenfleckl
  • Böhmische Dorfgeher
  • In der Geschirrgasse zu Eger
  • Karel Čapek in Leitmeritz oder wie sein baltischer Übermolch Land gewinnt
  • Horka, eine Provokation
  • Ausgehebelt
  • Der jüdische Hopfenhändler
  • Seziertisch Böhmen
  • Menschenmarkt in Böhmisch Leipa
  • Treffpunkt Hotel Jalta
  • Wenn wir die reinlassen
  • Abwicklung
  • Aus und vorbei
  • Endsieg
  • Raus und fort im Huckepack
  • Böhmische Brüder
  • Die Goldgräber kommen
  • Ordnungsgemäße Überführung
  • An der Alz
  • Die Hundeschnäuzigen
  • Kisten aus Schitomir
  • Klinkenputzen
  • Lastenausgleich
  • Wie sich sudetendeutsche Größe ausmendelt
  • Kannitverstan
  • Casanovas Bergkristalle
  • O Donna Anna
  • Mon petit Tschèque
  • Abgerechnet wird zu Haus
  • Eingereiht
  • Mácha, Mucha und Hollars Katze
  • Ehrlich

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Leseproben | Textauszüge

Leseproben (Textauszüge) aus dem Roman ‚Böhmische Fuge‘ von Gerold Tietz:

»Ach Schwejk, hätten sich doch unsere Vorfahren lieber zu Tode gesoffen als zu Tode gesiegt! Um dich heute im „Kelch“ zu treffen, habe ich wahrlich einen hohen Preis bezahlen müssen. Ich mußte dich schriftlich verleugnen und ausdrücklich erklären, daß ich die böhmischen Dörfer freiwillig verlassen hätte – als ob man böhmische Dörfer freiwillig verlassen kann!«

»Als der Kriegsreporter František Stech nach Hause berichtet, die Landsturmmänner hätten inzwischen ihre Feldbetten gegen Stroh und das goldgelbe Stroh gegen schwarze Granatlöcher eingetauscht, statt Rindfleisch und Kren gäbe es jetzt Pferdegulasch, Ruhr und Cholera, wird er seines Postens enthoben. Die k.k. Zensurbehörde in Wien befindet, eine solche verlauste und verwanzte Gegend wie Galizien habe so viel Aufmerkamkeit und einen so malerischen Weltuntergang gar nicht verdient.«

»Die Gefangenen werden in einen Viehwaggon gepfercht, 40 Mann. Die Bosniaken verfluchen die Magyaren, die Magyaren die Slowenen, die Slowenen die Tiroler Kaiserjäger und alle zusammen den Krieg.«

»Wie die heilige Ludmilla persönlich thronte sie über den Irdischen und schlug mit ihren durchsichtigen Händen, die sich im vorauseilenden göttlichen Gehorsam dem Zustande von zerbrechlichen Reliquien angenähert hatten, ein Tamburin. […] Das Geheimnis, warum sie ein striktes Verbot erlassen hatte, sich an einer einzigen Kletterstange emporzuwinden und stattdessen befahl, sich zwischen zwei Stangen hochzuhangeln, hatte zwar ein Psychoanalytiker im fernen Wien bereits gelüftet, sie aber nahm es in Eger mit in ihr Grab.«

»Schwejk, wann sind wir uns eigentlich fremd geworden, haben die Verwüstung hereingelassen und haben uns selbst vertrieben?«

»Der Journalist Stech überlegte. Warum sollte er sich auf einen aussichtslosen Kampf einlassen? Die böhmischen Länder hatten eher zu viele als zu wenige Märtyrer hervorgebracht.
Er hatte vergeblich gegen alle angeschrieben, die ihre Heimatfront schon im Findelhaus aufmachten, wo sie aus Tschechen Deutsche und aus Deutschen Tschechen machten. Oder mit Paragraphen, Stempeln und Straßenschildern ihren Sprachenstreit austrugen, den sie an der Hopfenbörse und im Handelskontor zum Wirtschaftskrieg ausweiteten.«

»Es schmerzt mich, ansehen zu müssen, wie die böhmischen Dörfer wie Reisigbündel über die Konferenztische geschoben werden. Brennholz für die Diktatoren.
Ich entschließe mich vor Ort, direkt an der Sprachgrenze zu recherchieren. Überall treffe ich auf die schwarze klebrige Schrift des Übermolchs: „Sudetendeutsche erwachet!“ Hatten wir nicht früher eine ähnlich dumme Parole? „Svúj k svému“ – „Jeder zu den Seinen“.«

»Kulka zog sich ins Innere des Ladens zurück, zu viele böse Worte waren zwischen ihnen gefallen. Bei der letzten Begegnung hatte er Gustav reinen Wein eingeschenkt und ihm ganz deutlich gesagt, für ihn gäbe es Äpfel und keine deutschen Äpfel und auch keinen tschechischen Honig sondern bestenfalls Lindenblüten- oder Heidekrauthonig. Er mache diesen Schwindel nicht mit, für ihn zähle die Qualität und nicht die Nationalität.«

»Wo sollte er aber in diesem Nationalitätenhader überhaupt noch einen Platz finden, der friedlichste aller Bürger, Isaak Feigl, der in der Hopfensignierhalle tschechisch sprach, am Jom Kippur in der Synagoge hebräisch vorbetete und sich zu Hause das deutsche Prager Tagblatt hielt?«

»Die Deutschen, Johann sagte immer „die Reichsdeutschen“, holten den Ukrainern die letzte Kuh aus dem Stall, steckten ihre Bienenkörbe in Brand und nahmen aus den armseligen Behausungen noch die letzten Schafwolldecken mit. Gleichzeitig aber warben sie unter den Bauern für die Bildung privaten Eigentums, das ihnen als höchste Form menschlichen Glücks erschien, lösten die Kolchosen auf und nagelten über das Wort „Kolchos“ das Firmenschild „Deutsche Treuhand“. Statt den angeblich leeren Raum im Osten zu bevölkern und deutsche Siedlungswillige in die Ukraine zu locken, verschickten sie Kolchosbauern ins Reich.«

»Mit Kriegsbeginn hatte Gustav vom Gauleiter einen Brief erhalten, in dem er aufgefordert wurde, die Gemeindeverwaltung zu übernehmen. Da er in dem Brief als tapferer deutscher Mann bezeichnet wurde, der sich im Kampf um das deutsche Volkstum bewährt habe, ja dessen Treue und Zuverlässigkeit aus ihm geradezu ein Vorbild sudetendeutschen Reichserbhofbauerntums mache, konnte er sich diesem Ruf nicht entziehen.«

»Johann wurde eingezogen, zuerst nach Frankreich, dann nach Russland. Gustav, der nun wieder Herr im Haus war und von morgens bis abends Kommandos ausgab, merkte gar nicht, wie einsam Anna sich fühlte. Heimlich holte sie ihre Hochzeitsbilder heraus und konnte sich an den verschneiten Tannenbäumen, die den Weg vom Hoftor bis zur Dorfkapelle säumten, nicht satt sehen. Dass Boleslaw und Anton das Heimweh nach der ukrainischen Steppe überkam und sich Karel nach der Weichsel sehnte, konnte sie immer besser verstehen.«

»Jana drückte Gernot so heftig an ihren Busen, dass diesen augenblicklich das Gefühl überkam, in den Armen einer üppigen böhmischen Madonna gelandet zu sein. Eine jener Madonnen, die man in einer Dorfkirche voll zu sozialisieren vergessen hatte, und die noch nicht ahnt, dass sie nach der Vollkapitalisierung auf eine Exportliste für Antiquitäten geraten wird.«

»Da platzte es aus Johann heraus. „Aus und vorbei. Was da passiert ist, das kann man gar nicht erzählen. Wenn die Rote Armee bei uns steht, wirst du das noch früh genug erfahren.“
Womit sollte Johann auch beginnen? Mit den Holzgerüsten, die SS-Pioniere auf dem Marktplatz von Schytomyr errichteten, Galgen, an denen Juden und Bolschewiken zur Abschreckung der Bevölkerung aufgehängt wurden? Oder mit den Verhaftungen und Erschießungen der Kolchosbauern, die sich gegen die deutsche Treuhand stellten und die Partisanen in den Wäldern versorgten? Oder von Annas Bruder Walter, den er im Krankenhaus in Kiew besucht habe und der ihm mit ganz leiser Stimme von dem Massenmord an den Kiewer Juden erzählte? Oder von seinen Kollegen in der Zivilverwaltung, die reine Raubzüge in den Dörfern veranstalteten und alles, was nicht niet- und nagelfest war, aus den Holzhäusern herausrissen. Schafwolle, Samoware, Schlösser und Türklinken schickten sie dann heim ins Reich, mit einem Gruß an die Lieben aus der Ferne.
Wie sollte Anna dies alles begreifen? Womöglich würde sie ihm vorhalten, er habe mit diesen Mordgesellen gemeinsame Sache gemacht. Und so Unrecht hätte sie damit ja gar nicht, das alles hat ja nur funktioniert, weil es viele in der gleichen Uniform gab, die die Waggons mit Korn füllten oder mit Rindfleisch, die Kolchosbauern zur Zwangsarbeit verschickten und über alle und alles Karteikarten führten, von der Rassenzugehörigkeit bis zum Hektarertrag des Weizens in der Schwarzmeererde.«

»Zu spät war Anna misstrauisch geworden und hatte eines Abends, als Gustav seine Tochter Erna in Pablitschka besuchte, entdeckt, dass es sich um Pläne der SS handelte, nach dem Endsieg alle Tschechen nach Sibirien zu deportieren.«

»Während Anna die Kinder fest umklammerte, damit sie nicht beim Abbremsen des Zuges von der Plattform hinuntergeschleudert würden, berieten auf dem Cecilienhof in Potsdam Männer in modischen Sommeranzügen darüber, was mit Anna passieren sollte.
Dass etwas passieren musste, darüber waren sich alle einig. Schließlich waren sie am Konferenztisch zusammengekommen, um ihre Verantwortung vor der Geschichte wahrzunehmen. Sollten sie Anna „abschieben“ oder „entfernen“? Oder wäre es nicht diplomatischer von „transferieren“ oder „evakuieren“ zu sprechen? Und wenn es stimmte, was der tschechische Propagandaminister Václav Kopecký im Prager Rundfunk behauptete, nämlich dass das Sudetenland ohnehin von alters her urslawisches Gebiet sei, warum dann nicht von „Säuberung“ und „Reinigung“ sprechen?«

»Dass Gustav sie als fromme Betschwester der Herrnhuter Brüdergemeinde und als alte Jungfer betrachtete, die den Anschluss an die neue große Zeit verpasst hätte, konnte sie ja noch hinnehmen. Aber dass Gustav sich ihr Gefasel von Mitleid und Barmherzigkeit verbeten hatte, ja ihre weinerliche Moral als jüdischen Trick bezeichnet hatte, um die erbgesunde germanische Rasse zu zersetzen, das hatte sie tief verletzt. Das Wort von der „Ballastexistenz“ hatte sie Gustav nie verziehen. Wie konnte er kranke und gebrechliche Menschen, die der Hilfe und des Trostes bedurften, als „Ballastexistenz“ einstufen?«

»Kurz vor dem Abschied hatte er dann doch vor der Dorfkapelle, in der sie an einem Sylvestertag getraut worden waren, gesagt: „Wenn wir den Krieg verlieren, dann reichen die Bäume in Deutschland nicht aus, an denen sie uns aufhängen werden.“«

»Nur Anna brachte keinen Bissen hinunter, obwohl ihr der Magen vor Hunger schmerzte. Sie hatte das untrügliche Gefühl, jetzt zu den Eindringlingen zu zählen, die als Polacken, Saupreußen, Zugereiste oder Reingeschmeckte gehandelt wurden.«

»Und diese Kirche, die auf sie wirkte, als hätte ein Schneider ein paar Falten in ein Stück Zwieback gebügelt. Wie anders waren da ihre böhmischen Dorfkirchen«

»Anna war äußerst erfindungsreich darin, sich für den Verlust ihrer Heimat zu entschädigen. Sie abonnierte die Sudetendeutsche Zeitung, bestellte Karlsbader Oblaten aus Regensburg, las die Heimatnachrichten, trieb eine Schallplatte mit Militärmusik der ehemaligen sudetendeutschen k.u.k. Infanterieregimenter auf und ließ sich eines Tages eine versilberte Brosche aus Neugablonz kommen.«

»Anna schmolz dahin. Soviel Herz war nie. Soviel Herz, darin waren sich Anna und ihre Mitschülerinnen Gretl und Xaveria einig, konnte nur aus der Tiefe deutschen Gemüts entspringen, die tschechischen Herzstotterer und die jüdischen Gemütskleckser konnten mit so viel Innigkeit nicht mithalten.
Schwejk, was Anna nicht wusste, der Texter des Liedes, das angeblich aus dem Herzensgrund des deutschen Volkes heraufstieg, war ein böhmischer Jude aus Wildenschwert«

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Hörproben

Hörproben aus dem Roman ‚Böhmische Fuge‘ von Gerold Tietz:

| in Bearbeitung |

In Ergänzung zu dieser Hörprobe finden Sie in der Rubrik Interviews einen Mitschnitt, in dem der Autor Einblicke zu den Hintergründen des Romans gibt.

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Sie können den Roman ‚Böhmische Fuge‘ beim ROGEON Verlag erwerben. Informationen zu weiteren Bezugs-, Bestell-, Leih-, Kauf- und Download-Möglichkeiten im stationären Buchhandel sowie Online Book-Stores erhalten Sie auf der Autoren-Webseite von Gerold Tietz über diesen Informations-Link zum Bucherwerb.

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