Satiralien (Satiren-Sammlung)
Buchtitel:
Satiralien. Neues aus Beerdita
Autor:
Gerold Tietz
Literarische Gattung:
Satiren
© Copyright:
ROGEON Verlag
eBook-Cover:
Kurzübersicht
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Buch-Vorstellung
Im Prosaband „Satiralien – Berichte aus Beerdita“ schreibt der Autor in Satiren zur Lage der Nation gegen die Biedermeierei in Geist und Politik Ende der 1980er Jahre an: scharfzüngig-poetische Texte, mit denen Gerold Tietz dem Leser Lust macht auf das Unbotmäßige und Aufmüpfige, Querdenkerische und Unangepasste.
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des ROGEON Verlags)
Erschienene Auflagen & Ausgaben
Auflagen und Ausgaben von ‚Satiralien‘:
eBook
ROGEON Verlag
elea edition
ISBN: 978-3-943186-13-0 (ePUB)
1. Print-Auflage
Alkyon Verlag
ISBN-10: 3-926541-08-3
ISBN-13: 978-3-926541-08-6
Erscheinungsjahr: 1989
96 Seiten
Broschiert
Vergriffen
Pressestimmen & Rezensionen
Im Folgenden finden Sie einen Abdruck ausgewählter Pressestimmen & Rezensionen zu „Satiralien“ von Gerold Tietz:
Auszug aus der Esslinger Zeitung:
»Gerold Tietz zählt zu jenen Zeitgenossen, die um sich und ihre Arbeit nie viel Aufhebens machen. Wo andere mit lockeren Sprüchen und Patentrezepten rasch bei der Hand sind, wägt der Esslinger Schriftsteller und Pädagoge seine Worte sorgfältig ab – im Gespräch genau so wie in seinen Texten. […] In vielen Gesprächen wurde er bestärkt, weiter politische Satiren zu schreiben. „Manchmal habe ich den Eindruck, die Politiker betreiben heute das Geschäft der Satire und die Schriftsteller sind dazu verurteilt, die eigentlichen Realisten zu sein. […]“ Was Tietz als Zeitdiagnose formuliert, könnte wie ein Leitmotiv über seinen „Satiralien“ stehen. Denn die „Berichte aus Beerdita“ sollen zum Nachdenken anregen: Über die Zeit, ihre Irrungen und Wirrungen, über Größenwahn, Verdrängung, Sprechblasen, Schubladendenken und „Sachzwänge“ […] In seinen „Satiralien“ hat der Esslinger Schriftsteller differenzierte, nachdenkliche Texte versammelt. Einige erschließen sich dem Leser nicht unbedingt auf Anhieb, doch allesamt verdienen sie aufmerksame Lektüre. Virtuos nutzt Tietz sein stilistisches und thematisches Instrumentarium, um des Lesers Kritik- und Wahrnehmungsfähigkeit zu stärken. […] Wie einst der große Satiriker Lichtenberg weiß Tietz nicht immer, wie es anders werden kann. Er weiß nur, daß es anders werden muß, wenn es besser werden soll. Und er will den einzelnen ermutigen, sich trotz aller Mißerfolge um ein eigenes Kultur- und Politikverständnis zu bemühen.«
Volltext des Artikels der Esslinger Zeitung anzeigen»Satiren gegen die Biedermeierei in Geist und Politik
Mit dem Prosaband ‚Satiralien. Neues aus Beerdita‘ machte der Esslinger Autor Gerold Tietz auf sich aufmerksam
Gerold Tietz zählt zu jenen Zeitgenossen, die um sich und ihre Arbeit nie viel Aufhebens machen. Wo andere mit lockeren Sprüchen und Patentrezepten rasch bei der Hand sind, wägt der Esslinger Schriftsteller und Pädagoge seine Worte sorgfältig ab – im Gespräch genau so wie in seinen Texten. Eine Sammlung von Prosaliteratur aus Gerold Tietz‘ spitzer Feder ist nun im Buchhandel zu haben: ‚Satiralien. Berichte aus Beerdita‘, ein schmales Bändchen, das den Verfasser als scharfzüngigen Satiriker und prägnanten Analytiker ausweist.
Der Literatur war Tietz schon in jungen Jahren zugetan. Noch heute erinnert er sich schmunzelnd, wie er im Mathematik-Unterricht in der letzten Bank Gedichte schrieb, während die anderen an Kegelschnitten tüftelten. Inzwischen ist die Literatur für den Historiker und Germanisten zur Passion geworden. Sein Credo: „Schreiben ist meine Überlebenstaktik, denn die Erfahrungen, die ich beruflich und politisch machte, kann ich nur so verarbeiten. Gesellschaftliche Widersprüche und berufliche Deformationen empfinde ich als so hart, daß ich diesen Ausgleich brauche.“
Dennoch ist Literatur für Tietz nicht nur persönliche Problembewältigung. Der Autor, der sich selbst „von Natur aus publikums- und vielleicht auch erfolgsscheu“ nennt, brauchte lange, ehe er sich zum Schritt in die Öffentlichkeit entschloß. Doch am Ende mag des Pädagogen Mut über die Scheu des Schriftstellers gesiegt haben. Gerold Tietz fand einen Verlag, der seine „Satiralien“ verlegte und er hat den Entschluß zur Publikation nicht bereut: „Es ist wichtig, daß sich die Leute an meinen Gedanken reiben, daß ich Rückmeldung bekomme. So kann ich mich fortentwickeln und erkennen, welche Probleme ich vielleicht zu einseitig gesehen habe.“ Schon deshalb sucht Gerold Tietz bei Lesungen den Dialog mit seinem Publikum. In vielen Gesprächen wurde er bestärkt, weiter politische Satiren zu schreiben. „Manchmal habe ich den Eindruck, die Politiker betreiben heute das Geschäft der Satire und die Schriftsteller sind dazu verurteilt, die eigentlichen Realisten zu sein. Ich halte es für bitter notwendig, politische Satiren in einem Land zu schreiben, in dem das Biedermeier immer wieder Urständ‘ feiert und in dem Politik und Geist säuberlich auseinandergehalten werden.“
Was Tietz als Zeitdiagnose formuliert, könnte wie ein Leitmotiv über seinen „Satiralien“ stehen. Denn die „Berichte aus Beerdita“ sollen zum Nachdenken anregen: Über die Zeit, ihre Irrungen und Wirrungen, über Größenwahn, Verdrängung, Sprechblasen, Schubladendenken und „Sachzwänge“ – der Satiriker als Seismograph seiner Zeit. Stets macht der Autor am konkreten Beispiel die Probe aufs Exempel. Die Beerditen, literarische Nachfolger von Wielands Abderiten, demonstrieren exemplarisch die aktuellen Konflikte zwischen Individuum und Staat. In seinen „Satiralien“ hat der Esslinger Schriftsteller differenzierte, nachdenkliche Texte versammelt. Einige erschließen sich dem Leser nicht unbedingt auf Anhieb, doch allesamt verdienen sie aufmerksame Lektüre. Virtuos nutzt Tietz sein stilistisches und thematisches Instrumentarium, um des Lesers Kritik- und Wahrnehmungsfähigkeit zu stärken. Wo andere mit vermeintlichen Patentrezepten wuchern, setzt Tietz allein gesunden Menschenverstand entgegen. Wie einst der große Satiriker Lichtenberg weiß Tietz nicht immer, wie es anders werden kann. Er weiß nur, daß es anders werden muß, wenn es besser werden soll. Und er will den einzelnen ermutigen, sich trotz aller Mißerfolge um ein eigenes Kultur- und Politikverständnis zu bemühen. Die selbe Zivilcourage, die Tietz als Staatsbürger seit jeher demonstriert, wünscht er sich auch von seinen Lesern.
Mit seinen Schülern, die er am Wendlinger Robert-Bosch-Gymnasium in den Fächern Geschichte, Deutsch und Politik unterrichtet, spricht Tietz nur selten über seine literarische Arbeit. Manch einer in der „Penne“ weiß zwar, daß er ein Büchlein publiziert hat, doch der schreibende Pädagoge achtet streng darauf, Schule und Literatur zu trennen. Dennoch kommt auch der literarische Dialog bei ihm nicht zu kurz: Mit seiner Frau Anne Birk, die sich längst als Schriftstellerin einen Namen gemacht hat, lebt seine konstruktivste Kritikerin mit ihm unter einem Dach.«
Alexander Maier, Esslinger Zeitung, 12./13.1.1991
Inhalt des Buches
Inhaltsverzeichnis | Kapitel
Der Band ‚Satiralien‘ des Schriftstellers Gerold Tietz beinhaltet folgende Kapitel bzw. Abschnitte:
- Geschlossene Gesellschaft
- Herakles oder: Ein Held rüstet ab
- EWG oder: Ewiges Griechenland
- Die Geschichte der Beerditen
- Unglaubliche Nachrichten über den Ursprung des Staates Beerdita und das Gedächtnis seiner Einwohner
- Wie das Volk der Beerditen seine Dichter und Denker verehrt
- Über eine seltsame Gleichgewichtsstörung in den Hirnschädeln der Beerditen und wie sich die Beerditen auf ihren eigenen
- Untergang vorbereiten
- Wie der letzte Baum im beerditischen Museum für Naturkunde seine letzte Ruhe findet und der vielbeachtete Nachruf des Kanzlers der Beerditen
- Die unerhörte Annäherung eines Museumswärters an den letzten Sprößling eines abgestorbenen Stammbaumes
- Wie ein Feuerschweif am gestirnten Himmel der Beerditen auftaucht und ihnen auf dem Weg ins All voranleuchtet
- Wie die Beerditen auf dem Pfad der Leistung und des Wachstums entdecken, daß ihnen etwas fehlt
- Wie die Beerditen sich selbst feiern
- Jodokus
- Ein eigentümliches Klopfen
- Sind Totlebens Revierförster Verfassungsfeinde? 56 Ein Sicherheitsrisiko
- Die Schwierigkeiten der Wertearchitekten mit der pädagogischen Raumausstattung
- Frau Holle oder: Auf den Wachstumssegen folgt der saure Regen
- Bunkerage
- Bewegliche Kulturgüter ausgenommen
- Gespräch zwischen einer Leibesfrucht und einem Retortenembryo
- Grenzwertüberschreitung
- Plusmänner oder: Molkekrisenmanager
Leseproben | Textauszüge
Leseproben (Textauszüge) aus ‚Satiralien‘ von Gerold Tietz:
GRENZWERTÜBERSCHREITUNG
»Kommens schon mit ihren verdammten Viechern rüber in unseren Freistaat. Auf Verdacht hin nehmen wir niemand fest. Wir stehen zu unserer Devise: ‚In dubio pro reo‘. Also in Hochdeutsch: ‚Im Zweifelsfall auch kontaminiert‘.«
»’Schließlich gibt es Grenzwerte.‘ – ‚Unter uns, die gibt es eigentlich nur, um sie zu überschreiten. Nehmen Sie zum Beispiel das handelsübliche Düngemittel: Klärschlamm. Der hatte in der Kläranlage Buchloe eine Belastung von 75.000 Becquerel Cäsium 137, von 30.000 Becquerel Caesium 134 und 66.000 Becquerel Ruthenium 103 pro kg.‘ – ‚Und was sagt das Landesamt für Umweltschutz dazu?‘ – ‚Das Landesamt für Umweltschutz? Das Landesamt für Umweltschutz erklärte, Klärschlamm falle unter die Klärschlammverordnung. Und Klärschlämme seien nun einmal im Sinne des Atomgesetzes keine radioaktiven Abfälle. Also könnten, Caesium hin, Caesium her, die Klärschlämme nicht als Sondermüll behandelt werden.’«
Weitere Leseproben aus 'Satiralien' anzeigen:PLUSMÄNNER ODER: MOLKEKRISENMANAGER
»An Ihrem pessimistischen Lebensgefühl, Herr Gradmann, da gibt es eine Menge abzuarbeiten! Wie kommen Sie eigentlich dazu, Demonstranten und Journalisten auch nur zu erwähnen, wenn diese für Sie doch offenbar nur eine politische Umweltbelastung bedeuten? Die müssen für Sie absolut Luft sein, die existieren nicht für Sie, Sie haben die Nase immer vorn, Sie prägen die Begriffe und besetzen die Sprache. Wie die von Ihnen geschaffene Wirklichkeit dann interpretiert wird, das kann Sie völlig kalt lassen.«
»’Die Strahlenbelastung der Bevölkerung durch Kernenergiegewinnung ist bis heute insgesamt geringer gewesen als die Belastung durch natürliche Strahlung während eines einzigen Tages‘. Das heißt im Klartext: Molke könnte man trinken, Molke wäre für uns alle ein gutes Geschäft, Molke wäre nicht zuletzt ein Exportgut, das hervorragend geeignet wäre, unser zivilisatorisches Profil in den Ländern der Dritten Welt aufzuwerten. Ja, so einfach wäre das, wenn nicht diese typische deutsche Hysterie da wäre, die einen vernünftigen und sachgerechten Umgang mit diesem Problem erschwert!«
»Ein besonders schönes Zitat, das wir bei Bagatell-Störungen des politischen Sumpfbetriebes bevorzugt auslegen, möchte ich Ihnen abschließend nicht vorenthalten, es stammt von unserem Altbundespräsidenten Karl Carstens: ‚Nach meiner Überzeugung können wir auf Kernkraftwerke nicht verzichten, brauchen wir auf Kernenergie nicht verzichten, und sollten wir auf Kernenergie nicht verzichten, denn im Vergleich zu anderen Energiequellen ist die Kernenergie die am wenigsten umweltschädliche.‘ Und wenn jetzt noch jemand an Ihren Ausführungen zweifeln sollte, so weisen Sie darauf hin, daß der Altbundespräsident persönlich die Republik von der Ostsee bis zu den Alpen durchwandert hat, es gibt also schlechterdings niemanden, der besser wissen könnte, was Globalstrahlung sei.«
JODOKUS
»Auch die Ärzte, die versuchten, sich ständig in meiner jungen Reparaturwerkstätte einzunisten, brachte ich zur Verzweiflung. Noch heute werfe ich ihnen vor, ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit zu haben, und führe einen großen Teil unserer Krankheiten auf die Jünger des Asklepios zurück, die sich sogar öffentlich zu ihrem Sündenfall bekennen, indem sie sich eine Schlange zum Symbol ihrer Scheinwissenschaft erkoren haben.«
»Mein Briefkasten wurde zur Fallgrube für sämtliche geheimen Verführer wie Banken, Versicherungen, Supermärkte, Parteien, Kirchen – verbissen verteidigte ich meine persönliche Kultur gegen alle äußeren Eingriffe.«
»Dank hoher Bestechungsgelder gelangte ich in den Besitz eines Schriftstückes, aus dem klar hervorging, daß der Verfassungsschutz jeden Bürger als unzuverlässig einstufte, der sich nicht vorbeugend mit Jodtabletten versorgte und sie auch einnahm, um dadurch das Sicherheitsrisiko für das Fortbestehen von Kernkraftwerken herabzusetzen.«
»Offenbar hatte Jodokus das Unheil vorausgeahnt und seinen Leib gegen radioaktive Verseuchung geschützt. Als ich schließlich in einem Heiligenlexikon die Nachricht fand, sein Leib wurde noch lange nach seinem Tode gesehen, als ob er lebe, da packte mich eine grausame Vermutung: Vielleicht haben wir den Super-GAU schon hinter uns – und leben nur noch als ob.«
EIN EIGENTÜMLICHES KLOPFEN
»Der Rauhfußkauz zählt zur Sippe der Eulen, die sich – im Gegensatz etwa zu den Falken – rühmen, weise zu sein, in Wahrheit aber als nützliche Idioten eingestuft werden müssen, die sich gern in der Dämmerung aufplustern, Scheuklappen tragen, nichts ganz verdauen und am liebsten Unnützes tun, daher wohl auch der Spruch ‚Eulen nach Athen tragen‘.«
»Mit Vorliebe legt sich der Schwarzspecht seine Nisthöhlen in kernfaulen Bäumen an – ein schlagender Beweis dafür, daß er die Gesellschaft der Eigentümer dort angreift, wo sie am verwundbarsten ist, bei den abbruchreifen, unrentablen Altbauten. Warum sich dieser Baumkraker weit mehr Höhlen anlegt, als er selber braucht, gibt einige Rätsel auf. Die Freiburger Schule deutet dies als Versuch, konspirative Wohnungen anzulegen, während die Nürnberger Schule darin eher gewisse Bemühungen erkennen will, die Praxis illegaler Wohnraumbeschaffung als Gewohnheitsrecht durchzusetzen.«
»In einer programmatischen Erklärung machte der hiesige Oberbürgermeister deutlich, daß er in einem Rechtsstaat mit Leuten, die einen Vogel haben und diesen gar noch schützen, nichts zu tun haben wolle und könne.«
DIE GESCHICHTE DER BEERDITEN
»Zwar sehen die einen Beerditen schwarz, wenn sie rot sehen und die anderen rot, wenn sie schwarz sehen, doch ist allen eines gemeinsam: ihre wundersame Vergangenheit.«
»Aber in diesen hoffnungsvollen Tagen traten noch seltsamere Widersprüche zutage. Vor Gericht tauchten plötzlich Leute auf, die bereit waren, jederzeit zu beeiden, ihr Gedächtnis im Trümmerhagel verloren zu haben, aber ein erstaunliches Erinnerungsvermögen entwickelten, wenn es um die Hektargröße ihres Hofes, die Nummer ihres Sparbuches oder gar um den Tag und die Stunde ging, da sie einen Befehl bekommen hatten.«
»In der Frage, ob sich Vergangenheit prinzipiell und kollektiv wiederholen könne, erklärten sich die Richter individuell für befangen.«
»Um diese Zeit, da diejenigen beerditischen Vordenker, die geschworen hatten, eher möge ihnen ein Bein abfallen, als daß je wieder ein Beerdit stramm stehen sollte, wieder Tritt gefaßt hatten, versicherten sich die Beerditen gemeinsam, nichts gehört, nichts gesehen und nichts gewußt zu haben..«
»Nachdem die Beerditen ihre Trümmer beseitigt und ihre Vergangenheit entsorgt hatten, gerieten sie – ganz zum Erstaunen der benachbarten Völker – auf den Weg des Erfolgs. Und da die Beerditen ein von Natur aus gründliches Volk sind, jagten sie jetzt dem Erfolg mit derselben Hingabe nach, wie sie sich bisher dem Siegen gewidmet hatten.«
»Der Kanzler der Beerditen, der ehrlich zugab, er sei einfach zu spät geboren, um noch des Waffenruhms und der Ehre der Altbeerditen teilhaftig geworden zu sein, versicherte, diesen angeborenen Fehler dadurch wieder gut zu machen, daß er sich mit befreundeten Staatsmännern auf den gemeinsamen Schädelstätten traf. Wie der Hofhistoriograph Langemarck feststellte, gehörte schon ein begnadetes Maß an Kühnheit und Tapferkeit dazu, sich angesichts der blutgetränkten Erde die Hände zu schütteln, um kurz darauf zum gemeinsamen Waffengeschäft zu kommen. ‚Waffen schmieden – für den Frieden‘, ein ganz spezifisch beerditischer Beitrag zur Identitätsfindung.«
»Hingerissen lauschten die Versammelten dem beerditischen, reinen und unverfälschten Zungenschlag der jungen Preisträgerin, in der sich die beerditische Nation zu einer neuen Identität herangebildet hatte. Nachdem sich jedoch der nicht enden wollende Beifall gelegt hatte, gab die junge Beerditin zu erkennen, sie sei eigentlich gar keine Beerditin, auch ihr Vater, Großvater und Urgroßvater seien alles andere als Beerditen. Während die Versammlung ratlos auseinanderging, zog sich die Jury nochmals zur Beratung zurück.«
»Frau Thekla von Alibit war die ehrenvolle Aufgabe zugefallen, im Jubelkolleg den weiblichen Verfassungsbezug sinnenfällig zu machen. Als sie jedoch, völlig überraschend und entgegen der Absprache mit Bonnität, schon in der ersten Sitzung eine geschlechtsspezifische Quotierung verlangte, löste sie unter den greisen Männern der ersten Stunde, den habilitierten Achtundsechzigern und den jungen Wendevätern einen Sturm der Entrüstung aus.«
»Die Beerditen hätten einen derart hohen Grad an Normalität erreicht, daß sie sich selbst nicht einmal mehr scheuten, ihre Lieblingsspielzeuge aus der alten Rüstkammer zu holen: Eiserne Kreuze, Ritterkreuze, vorbeerditische Kreuze in Gold und Silber mit Krone und Eichenblatt, Säbeln und Bajonetten. Nachdem sie an ihren Kreuzen alle Haken, an denen sich ihre Nachbarn immer noch störten, abgekratzt hatten, bekannten sie sich auch öffentlich wieder zu ihrer bewährten Devise: ‚Blank die Wehr, rein die Ehr‘.«
EIN SICHERHEITSRISIKO
»..die Anschuldigung des hiesigen Bürgermeisters, Sie hätten sich unbefugterweise in den Besitz der Katastrophenpläne des Landkreises gebracht, so der Einsatzpläne für Ölpest, ABC-Alarm, Smog, Sondermüll, Hochwasser und Waldsterben, und durch eine gezielte Veröffentlichung der geheimen Einsatzpläne panische Reaktionen bei der Bevölkerung hervorgerufen, die bereits zu so irrationalen Schutzmechanismen wie Menschenketten geführt haben sollen.«
»Sicherheit macht frei und Eigentum unverletzlich, sagen Sie, wie konnten Sie dann ruhig zusehen, wie die Luft zur Mülldeponie, das Wasser zur Kloake und der Wald zum Friedhof verkommen sind? Hohes Gericht, ich frage Sie, wo bleibt Ihr Grundsatzurteil zu diesen Enteignungen großen Stils?«
»Ein Auszug aus dem betrieblichen P.I.S. (Personalinformationssystem) ergibt, daß der Angeklagte weder gegen Diebstahl und Rohrbruch, noch gegen Hausbrand und Schlüsselverlust versichert ist, ja nicht einmal eine Lebensversicherung abgeschlossen hat und somit durch seine sorglose Existenz ein gesellschaftliches Sicherheitsvakuum geschaffen hat, das auf potenzielle Feinde geradezu wie ein Magnet wirken muß. Zu seinem entstabilisierenden Umfeld zählen nicht wenige Griechen, darunter sogar kretischer Abstammung, die seit je zum Anarchismus neigen und im zivilen Ungehorsam geradezu als Experten betrachtet werden müssen.«
»Geradezu Aggressionen auslösen muß der Zustand seines ungepflegten Autos sowie der verwahrloste Privatweg mit dem Hinweisschild ‚Betreten auf meine Gefahr‘, was eine Verhöhnung aller öffentlich-rechtlichen Ordnungsvorstellungen darstellt.«
DIE SCHWIERIGKEITEN DER WERTEARCHITEKTEN MIT DER PÄDAGOGISCHEN RAUMAUSSTATTUNG
»Der diensthabende Beamte wird nach positiver Erledigung der Angelegenheit der Sonderbehandlung ‚Mehr nachblättern als nachdenken‘ zugeführt.«
BUNKERAGE
»Lassen Sie mich, liebe Zivilschutzgemeinschaft, einige grundsätzliche Ausführungen zum Verhältnis von Raum und Volk machen. Die entscheidende Frage, die heute einer Lösung harrt, lautet nicht mehr: ‚Was wäre ein Volk ohne Raum?‘ sondern: ‚Was wäre ein Raum ohne Volk?’«
»Behüte und schütze sie, wir bitten Dich, wenn sie den Anmarsch in den Schutzraumbau antreten und gib ihnen dafür gnädiglich 1,5 Minuten Zeit. Mögen sie, so wie wir, von Deiner Kraft und von Deiner Macht wissen und mögen sie mit Deiner Hilfe Strahlung, Hitze und Druck unversehrt überstehen. Wir bitten Dich, daß das katastrophale Zivil – daß das zivile Katastrophenschutzgesetz nun bald kommt, und daß wir wieder einmal Frieden auf Erden haben.«
SIND TOTLEBENS REVIERFÖRSTER VERFASSUNGSFEINDE?
»’Der Verfassungsfeind‘, so hämmerte Herr Tutilo, ‚ist bereits daran zu erkennen, daß er sich nicht aktiv für den Paragraphen 1 der SiWaFeFu einsetzt und es sträflich unterläßt, dort für Bedrohung zu sorgen, wo es keine gibt.’«
»Während schon in den Jagdhütten die Sektkorken knallten und die grünen Verschwörer auf die endlich aufgetauchte Gefahr anstießen, ja, man im Übermut schon soweit ging und sich selbst bedrohte, lag der vor Hunger allzu geschwächte Bär schon in den letzten Zügen. Als schließlich der Inspektor für Tierbeseitigung auf der linken Bärentatze das eingebrannte Siegel des Wanderzirkus ‚Wurmdrakus‘ fand, flog der ganze Schwindel auf.«
BEWEGLICHE KULTURGÜTER AUSGENOMMEN
»Könnte man in der Haager Konvention das Wort ‚unbeweglich‘ nicht einfach durch ‚beweglich‘ ersetzen? Wenn dann der Ernstfall eintritt, darf alles, was beweglich ist, oder zumindest beweglich sein könnte, weder beschädigt noch vernichtet werden, so daß der Feind Subjekt und Objekt nicht mehr richtig auseinanderhalten könnte und infolgedessen mit dem beweglichen Objektschutz gewissermaßen als Abfallprodukt die Rettung der menschlichen Subjekte verbunden wäre.“ [..] „Vertrag ist Vertrag und Wortlaut ist Wortlaut und das Subjekt ist kein Objekt. Sie bringen mir ja die ganze Sicherheitsgrammatik durcheinander.«
GESPRÄCH ZWISCHEN EINER LEIBESFRUCHT UND EINEM RETORTENEMBRYO
»LEIBESFRUCHT: Eigentlich müßtest du raus hier. Selbstschutz ist einmal Sache jedes einzelnen, und nach §185,1 des Katastrophenschutzgesetzes kommt im Verteidigungsfall der Rettung der Menschen besondere Bedeutung zu. Von der Sicherstellung von Retorten- embryokapazitäten ist da nicht die Rede.«
»RETORTENEMBRYO: Du solltest dich einfach besser informieren und mal lesen, was unser ehemaliger Inspekteur des Sanitäts- und Gesundheitswesens in der ‚Wehrmedizin‘ von 1980 schreibt: ‚Der Krieg hat nicht nur der Technik gewaltige Impulse gegeben, sondern auch die Medizin zu einer sprunghaften Aufwärtsentwicklung angeregt, die viele Vorstellungen übertrifft.‘ [..] Du weißt doch, was der bayrische Sozialminister bei einer Abschiedsfeier für Offiziere von sich gab: ‚Die Verteidigungsmediziner müssen in der Lage sein, bei Tausenden von Verletzten die Spreu vom Weizen zu trennen.’«
»LEIBESFRUCHT: Ich habe ausgerechnet, die Halbwertzeit des menschlichen Gedächtnisses entspricht etwa Caesium 137 oder Strontium 90. Sonst müßten sie in ihren Köpfen die Tatsache angereichert haben, daß im letzten Krieg in Kassel Zivilschutz betrieben wurde mit dem Ergebnis, daß 70 % der Toten der Luftangriffe vom Oktober 1943 gerade in Bunkern durch Hitze und Sauerstoffmangel umgekommen sind.«
»RETORTENEMBRYO: Die Schutzbaufibel hat einfach recht, wenn sie uns vor solchen pessimistischen Nörglern wie dir warnt: ‚Diese Kritiker deklarieren den schlimmsten Fall, der vorstellbar ist, als den einzig möglichen: Die Bundesrepublik wird von einem dichten Teppich von Kernwaffen bedeckt, bei dem sich die Radien der totalen Zerstörung überschneiden. Für einen solchen Fall allerdings hätten sie recht, dann könnte in der Tat auch in den Schutzräumen niemand überleben. Dieses Inferno aber ist der unwahrscheinlichste aller Fälle.’«
GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT
»In einer Vernissage der Kunstschloßhochschule ließ der Stadtschreiber Gänsekiel, ein hochbegabter Musensohn der Stadt, die berühmten Worte fallen: ‚Denn alles, was die Welt verliert, ist wert, daß es verschlüsselt wirt‘.«
»Der Hofnarr, der manchmal selbst zu streng geheimgehaltenen Sitzungen des Kronrats geladen wurde, und, wie man sich zuflüsterte, den Schloßoberen nicht selten aus der Patsche geholfen hatte, wurde diesmal ausgeschlossen, als er die Vermutung aussprach, vielleicht sei es nur der Schlüssel der Erkenntnis, der dem König verloren gegangen sei.«
»Die Hofjuristen, die früher den Grundsatz ‚Stadtluft macht frei‘ entwickelt hatten, standen jetzt ausnahmslos hinter dem Prinzip ‚der geschlossenen Tür‘. Im neuesten Urteil des Schloßgerichtes konnten sie überzeugend darlegen, daß Freiheit erst hinter Schloß und Riegel voll zur Entfaltung komme.«
»Die Hofjuristen [..] einigten sich auf die Aussage, Freiheit könne sich in einer geschlossenen Gesellschaft auch in Luftschlössern konkretisieren.«
»Plötzlich erinnerten sich auch einige Einwohner wieder an eine glückliche, schlüssellose Zeit, wo man abends den Kopf aus dem Fenster stecken, nachts auf dem Dache mondwandeln und Mensch und Tier frei durch das Stadttor ein- und ausgehen konnte.«
HERAKLES ODER: EIN HELD RÜSTET AB
»Der Trojanische Krieg, der Peloponnesische Krieg, der Makedonische Krieg, der Korinthenkrieg, der Gurkenkrieg und der Steuerkrieg – Sie müssen zugeben, ein Volk, das dem Abendland soviel Ruhm und Ehre eingebracht hat, dem es mühelos gelungen ist, die Friedensgöttin in eine finstere Höhle des Olymp zu vertreiben, verdient es, Mitglied der größten westlichen Friedensorganisation diesseits und jenseits der Säulen des Herakles zu bleiben, denn schließlich gibt es nichts Wichtigeres als den Frieden.«
»Gänzlich unbegreiflich erschien ihm, warum der holländische Delegierte immer die tieffliegenden Cruise Missiles meinte, wenn er von hochfliegenden Plänen sprach. Noch ehe das Abschlußkommunique mit der programmatischen Eingangsformulierung ‚Viel Freund – viel Wehr – das größte Friedensheer‘ vorlag, hatte der Hauscomputer das verdächtige Reisegepäck des Tassos bereits verfrühstückt.«
»Wehte ihn früher beim Lesen des Pausanias der Atem Griechenlands an, so verspürte er jetzt nur noch den Pesthauch von Lüge und Korruption.«
»Ohne Schwierigkeiten konnte Herakles, der mit den Fabeln seiner animalischen Zeit gut vertraut war, erkennen, worüber die Verfasser sich entrüsten: die Rüstungsinvestitionen, die in den reichen Ländern den Sozial- und den Bildungsetat verschlingen und zur Arbeitslosigkeit führen und in den armen Ländern Hungerkatastrophen auslösen und zur Auswanderung zwingen.«
»Dem an der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen geschulten Blick des Göttersohnes entging es nicht, daß hinter dem Glauben an den Gott, der Waffen wachsen ließ, die sog. Sachzwangideologie stand, nach der sich das Hirn dem Panzer anzupassen habe.«
»Als er auf dem Tempeldach die Mädchenfiguren mit den Vogelbeinen erblickte, muß ihm das ganze Ausmaß der Umweltkatastrophe, die offenbar schon zu Genverän- derungen geführt hatte, bewußt geworden sein.«
EWG ODER: EWIGES GRIECHENLAND
»Zeus hatte gerade die Vollversammlung der olympischen Götter eröffnet. Indem er sein Diadem lächelnd dem Helios zuwandte und in seiner Linken den Donnerkeil spielen ließ, stellte er die bedeutenden Worte: Europa kehrt heim nach Griechenland – oder Griechenland kehrt heim nach Europa – in den göttlichen Raum.«
»Die schwarzen Gedanken des Hades gingen dahin, in Europa verdunkle man schon heute die Sonne und bereite sich auf den Einzug des Herrn der Unterwelt vor.«
»Griechenland, so hämmerte er allen Göttern ein, brauche Europa als Waffenschmiede, und das AWACS-Radarsystem werde rechtzeitig das Auftauchen neuer Götter ausmachen, schließlich hätte man die Geschichte mit Paulus verhindern können.«
»Pluto schwärmte von den Eurokraten, denen es gelungen sei, aus wenigem Nützlichen vieles und immer mehr Überflüssiges zu machen.«
»Die Stimmung für die Eurofraktion schien so günstig, daß Zeus schon den Göttersprung vorbereitete, als sich der marmorweiße Boden der Götterhalle auftat und Poseidon, auf einem Delphin reitend, diesem vorschnellen Vorhaben ein Ende setzte.«
»Den Anwesenden verschlug es bald den göttlichen Atem, als Artemis berichtete, die Europäer huldigten in halbkugelförmigen Tempeln einem Sterblichen namens Demokrit. Diese Irrlehre trage den Namen Atomismus, und selbst den eingeweihtesten Priestern sei es nicht erlaubt, persönlich ins Allerheiligste vorzudringen.«
»Europa braucht Griechenlands Kultur. Dies ließ sich Apollo nicht zweimal sagen, stürmte nach vorn, und nachdem er darauf hingewiesen hatte, daß Ares seine göttliche Leier ideologisch zweckentfremdet habe, stellte er klar, daß die Europäer die griechische Kultur doch schon längst verschrottet hätten. Als besonders schändlich erschien ihm, daß man in Europa für den Theaterbesuch bezahlen müsse, offenbar wolle man das Publikum abschrecken oder verhänge man gar die Theaterschau als Strafe. Unterdessen hob Athena, die es nicht verwinden konnte, daß ihre schönen Ölbäume in der Messara Plastikzelten und Tomatensaft weichen sollten, ihren Schild hoch.«
»Demeter, die in ihren Träumen schon durch Milchseen schwamm, Butterhalden hinabrutschte und mit Weizen erpreßte, atmete auf. Über den Mohnfeldern Griechenlands brannte ihr göttliches Feuer.«
Hörproben
Hörproben aus dem Band ‚Satiralien‘ von Gerold Tietz:
Hörprobe aus der Satire „Die Geschichte der Beerditen“, gelesen von der Schauspielerin & Sprecherin Lucia Schlör
Buch / eBook erwerben
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